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Ausstellung
HAUSARREST - Julia Lormis

Fotografische (Neu-)Betrachtungen des banalen Alltags in Isolation

Ihre Fotografien sind Augenblicksbilder, deren Subjektivität mit größtmöglicher Objektivität zusammenfallen. Das Alltägliche und Vertraute wird durch kontrollierte Kameraeinstellungen, selektiver Tiefenschärfe bzw. Unschärfe oder rhythmischer Bildkombination gewürdigt und wirft zugleich Fragen nach dem Verhältnis von Realität und Fiktion auf. In diesem vielschichtigen Erzählcharakter zwischen Kunst und Dokumentation, behält das Einzelbild seine eigenständige Qualität und verstärkt sich in serieller Montage gegenseitig. Ihre Fotografien sind Bilder, die in Format, Farbe und Komposition den Anspruch eines „Gemäldes“ haben.

Grenzüberschreitende Pointierung traditioneller Genremotive

Die Ausstellung „HAUSARREST“ erweitert den konzeptuellen Ansatz des fotografischen Essays „HAUSARREST“ (2020) um die räumliche Ebene. Die begehbaren, audiovisuellen Rauminstallationen des Wohnzimmers (erster Raum der Art Lounge) und der Küche (zweiter Raum der Art Lounge) pointieren dabei in zeitgenössischer Form die niederländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts, indem der Betrachter voyeuristisch von außen in den Raum blicken, als auch der private Raum, das „Künstleratelier“, real betreten werden kann. Die Grenze zwischen „Öffentlich“ und „Privat“ verschwimmt.

So wurde zum Beispiel ein so individuelles Gefühl, wie das des Getrenntseins von einem geliebten Menschen, schon in den ersten Wochen plötzlich von einem ganzen Volk empfunden und war zusammen mit der Angst das schlimmste Leid dieser langen Zeit des Exils.

- Albert Camus, Die Pest

Die fotografischen Arbeiten erhalten Gegenspieler in den Audiowiedergaben. Die Fernsehansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der ersten Lockdown Phase im März 2020 markiert den zeitlichen Beginn der fotografischen Arbeiten. Mit Albert Camus´ “Die Pest“ und Giovanni Boccaccios „Das Dekameron“ vernetzt sich das mit-sich-selbst-konfrontiert Sein im historisch-literarischen Kontext. In den Audiosequenzen erzählen Menschen aus der ganzen Welt von ihren Gedanken, Eindrücken oder Erfahrungen während der Isolation. Dies globale, histo-risch, literarische „Storytelling“ und ihre Fotografien stellt Julia Lormis zu einem komplexen Gesamtkunstwerk zusammen.

Corona Diaries I & II - Gedanken, Eindrücke und Erfahrungen während der Isolation aus der ganzen Welt

Stillstand des Lockdowns versus innerliche Bewegtheit

Durch die bühnenhafte, narrative, räumliche Inszenierung bringt Julia Lormis den Betrachter dazu, sich an eigene Erfahrungen zu erinnern und diese mit den gezeigten Fotografien bzw. räumlichen Eindrücken zu verbinden. Damit gelingt ihr, gegenwärtige Ereignisse zu Grundfragen des menschlichen Lebens wie Einsamkeit, Ängste aber auch Hoffnung, Zuversicht über die Visualisierung hinausgehend zum Gesprächsthema zu machen. Sie entschlüsselt und verschlüsselt Sichtbares. Ihre Arbeiten schaffen einen Platz in der visuellen Erinnerung.

Poetisch-dokumentarisches Wechselspiel zwischen Abstraktion und Realismus

Der Realismus ihrer Fotografien begründet sich in der Bildästhetik und Klarheit des Themas und ist besonders geprägt von der präzisen Beobachtung von Licht und Schatten sowie der daraus resultierenden differenzierten Farbigkeit. Es entstehen einerseits präzise, andererseits abstrahierte Darstellungen. In der sachbezogenen Präzision entfalten die Motive skulpturale Qualitäten. Im abstrakten Spiel aus Flächen und Strukturen werden Formgrenzen aufgehoben und Bezüge zur informellen Malerei der 1960er Jahre sichtbar.

Corona Diaries III

Stilles Leben als Dockingstation für Betrachter*innen

In den an Stillleben anknüpfenden Fotografien bewegen sich die Motive nicht. Diese Bewegungslosigkeit entspricht im übertragenen Sinne der Lebenssituation der Künstlerin zur Zeit der Aufnahme. Die einzige Freiheit bestand in der (Wahl)freiheit des Motivs und dessen Wiedergabe.

Der für Julia Lormis´ Werke charakteristische Spannungsbogen zwischen heiter-humorvoll bis nachdenklich-kontemplativ, zwischen vordergründiger Einfachheit bis zu vielschichtiger Komprimierung bricht die Sprachlosigkeit der Situation auf. Die audiovisuelle Rauminstallation sprengt dabei den tradierten Kunstbegriff.

Mit dieser Ausstellung dokumentiert Julia Lormis mit künstlerischen Mitteln eine Situation, die aktuell jeder Besucher in ähnlicher Form erlebt haben dürfte. Ihre künstlerische Arbeit verbindet Aktualität mit einem hohen Maß an Allgemeingültigkeit.

Die Corona-Pandemie ist ein globales, historisches Ereignis, dessen Auswirkungen noch viele Jahre spürbar sein werden. Es gab in den letzten 75 Jahren weltweit keine vergleichbare Krise. Mir als Fotografin ist es ein besonderes Bedürfnis, meinen Beitrag zu leisten und dieses Ereignis zu dokumentieren.

- Julia Lormis

Lesung direkt aus dem HAUSARREST

Am Donnerstag, den 4. Februar, um 18.30 Uhr liest Achim Lenz, Intendant der Gandersheimer Domfestspiele, direkt aus dem „HAUSARREST Wohnzimmer“ Passagen aus dem Roman „ Die Pest“ von Albert Camus.

Bleiben Sie gespannt!

Hier können Sie am 4. Februar das Event live verfolgen und / oder zu einem späteren Zeitpunkt eine Zusammenfassung mit einer Ausstellungsführung per Video sehen. Der komplette Live-Stream ist noch bis zum Ende Februar aufrufbar.

Direkt zum Stream

Intendant der Gandersheimer Domfestspiele Achim Lenz | Credits Julia: Lormis

Intendant der Gandersheimer Domfestspiele Achim Lenz | Credits Julia: Lormis

Zusammenfassung mit einem Grußwort vom KWS Vorstandsmitglied Eva Kienle

Dieser Text stammt von der Kunsthistorikerin Ulla Feiste.

Gerne können Sie direkt vor Ort spannende Einblickein unsere Ausstellung auch während dieser Pandemie erhalten. Schauen Sie vorbei und schauen Sie durch unsere Schaufenster.

HAUSARREST - Julia Lormis
ab 15. Januar 2021
KWS Art Lounge NEWCOMER
Tiedexer Straße 20, 37574 Einbeck

Mit digitalem Buch zur Ausstellung HAUSARREST

Zu den Künstlern - Julia Lormis & Ulla Feiste

Fotografin Julia Lormis

Sie (* 1993), Andreaskunstpreisträgerin 2020, arbeitet seit 2012 als freischaffende Fotografin. Ihre Arbeiten sind den Bereichen Fotografie, Mixed-Media, Videokunst und Rauminstallation zuzurechnen. Im Fokus ihrer Auftragsarbeiten und frei entstandenen Werke stehen hauptsächlich „Mensch und Umwelt“, immer über den rein abbildenden Ansatz hinausgehend bis hin zur künstlerischen Fotografie, vom Einzelbild zur Serie, vom zweidimensionalen Ausdruck bis zur dreidimensionalen multimedialen Rauminstallation. In diesem Spannungsfeld entwickelt die Künstlerin einen Fotojournalismus mit künstlerisch-dokumentarischem Ansatz, in dem gesell-schaftspolitische Diskurse verhandelt werden.

Fotografin Julia Lormis | Credits: Sibylle Fendt

Fotografin Julia Lormis | Credits: Sibylle Fendt

Kunsthistorikerin: Ulla Feiste | Credits Julia: Lormis

Kunsthistorikerin: Ulla Feiste | Credits Julia: Lormis

Kunsthistorikerin Ulla Feiste

Sie lebt und arbeitet in Südniedersachsen. Sie studierte Kunstgeschichte an der Rijksuniversiteit in Groningen, Niederlande. Als Kunstlehrerin, Dozentin und Kuratorin ist sie für unterschiedliche Institutionen tätig.

Ihr Anliegen ist Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die vielfältigen Ausprägungen der bildenden Kunst im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation zu vermitteln.

Ihr Ansprechpartner

Bettina Alex
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Public Affairs & Arts
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